Der fünfte Sohn

Wiesel, Elie, 1985
Verfügbar Ja (1) Titel ist in dieser Bibliothek verfügbar
Exemplare gesamt 1
Exemplare verliehen 0
Medienart Buch
ISBN 978-3-451-20352-7
Verfasser Wiesel, Elie Wikipedia
Systematik B - Belletristik Allgemein
Interessenskreis historischer Roman
Schlagworte Roman, Literatur, Nachkriegsdeutschland, Judentum, Ghetto, Historischer Roman, Preisträger, Klassiker, Jüdische Tradition, Nobelpreis für Literatur
Verlag Herder Verl.
Ort Freiburg
Jahr 1985
Umfang 191 S.
Altersbeschränkung keine
Auflage 2. Aufl.
Sprache deutsch
Verfasserangabe Elie Wiesel
Annotation Ich habe nicht deshalb etwas aus meiner Vergangenheit erzählt, damit Sie sie kennenlernen sollten, sondern damit Sie wüßten, daß Sie sie niemals kennenlernen würden."

Elie Wiesel

Elie Wiesel wurde 1928 in Sighet/Siebenbürgen geboren. 1944 wurde er mit der gesamten jüdischen Bevölkerung des Ortes nach Auschwitz deportiert und überlebte als einziger seiner Familie. Nach der Befreiung ging er nach Paris, heute lebt er in New York. 1956 veröffentlichte er „un di welt hot geschwign" (Elie Wiesel: Die Nacht zu begraben, Elischa. München 1986). Viele seiner Bücher sind zuerst in französischer Sprache erschienen. Für sein Werk erhielt er 1986 den Friedensnobelpreis.

Der Roman Der fünfte Sohn ist die Geschichte eines nicht ausgeführten Rachemords. Der Rächer des fünften Sohnes sieht ein, daß der Haß keinen Sinn hat. Die jüdische Tradition sagt, daß der Henker sich an den Schuldigen bindet. Aus der Sicht eines nach Befreiung und Kriegsende geborenen Sohnes Ariel (der wie sein im Ghetto getöteter Bruder heißt) wird die Geschichte der Eltern, besonders des Vaters und seines Verhaltens im Ghetto, in den Erinnerungen von Freunden und in Rückblenden aufgedeckt. So sind nicht nur die Leiden der Opfer, sondern auch die Traumatisierungen der nächsten Generation und ihr schwieriges Verhältnis zu den überlebenden Vätern Thema der Erzählung.

Der erste, kurze Auszug resümiert die Unbegreiflichkeit des Lebens im Ghetto und die Leistung des dort eingerichteten Judenrats, dem der Sprecher (Bontscheck) selbst angehörte. Zuvor hat er erzählt, wie der Kommandant des Ghettos von Dawarowsk, Richard Lander, bitter „der Engel" genannt, zwölf Männer bestellt und sie unter Androhung der Todesstrafe dazu gezwungen hatte, einen Judenrat zu bilden. Zum Präsidenten ist Reuwen Tamiroff, der Vater des Erzählers, gemacht worden.

„Ich sehe das Ghetto wieder vor mir und begreife immer noch nicht, wie wir es fertiggebracht haben, uns seinen Gesetzen zu unterwerfen. Wer es betrat, ließ das 20. Jahrhundert hinter sich. Eigene Meinung und eigene Lebensgewohnheiten, eine Gesellschaftsordnung mit ihren Vorzügen und Zwängen, die Diplome und die Titel, alles blieb zurück auf der anderen Seite der Mauer. Zum erstenmal in unserer Geschichte wurden Bildung und Vermögen gleichermaßen nutzlos, weder an das eine noch an das andere konnte man sich halten. Das nicht vorhersehbare Geschehen ergriff von dir Besitz, und mit einem Schlage lebtest du ein Leben, das realer und zugleich irrealer war als das frühere. Jede Stunde konnte die letzte, konnte der Schlußstrich unter deine Existenz sein. Und jetzt hör gut zu, Kleiner, selbst wenn man nur an die logistische Seite der Sache denkt, dann grenzte das, was wir taten, an ein Wunder oder wenigstens ans Wunderbare. [...]

Es ist schon merkwürdig, mein Junge, unsere mehrere Jahrhunderte alte Gemeinde wurde von Grund auf in ihrer Struktur und in ihren einzelnen Bestandteilen verändert, und trotzdem wurde, nachdem der erste Schock vorbei war, das Leben wieder normal; die Leute sagten sich Guten Tag, die Frauen kochten das Essen, die Bettler bettelten, die Verrückten grinsten, und die Geschichte ging weiter."

(Elie Wiesel: Der fünfte Sohn. Freiburg, 5. Aufl. 1987, S. 84-85)
(Quelle: https://www.lpb-bw.de/publikationen/ghettos/b06.htm, 22.02.2022)